"Lachen und Weinen sind unbeherrschte und gebrochene Antworten auf Situationen, welche beherrschte, auf geordnetem Verhältnis der Person zu ihrem Leib beruhende und solches Verhältnis wahrende Antworten unmöglich machen, doch die Person zugleich zur Antwort zwingen. Wenn die Formel erlaubt ist: sinnvolle Fehlreaktionen mit Hilfe eines Bruchs zwischen Mensch und Körper. Die Distanziertheit der menschlichen Person wird als Bruch im Verlust ihrer Selbstbeherrschung sichtbar. Ein physischer Automatismus tritt an die Stelle artikulierter, von der Person selbst ausgehender Antworten. Ein Wesen ohne Distanz, ohne Exzentrum kann nicht objektivieren, nicht begreifen, kennt weder Sinn noch Unsinn und vermag darum weder zu lachen noch zu weinen. Es vermag, da es nicht »über sich« steht, auch nicht, »unter sich« zu fallen. Nur wer Selbstbeherrschung besitzt, kann sie verlieren."
Helmuth Plessner, Das Lächeln; in:
Zwischen Philosophie und Gesellschaft, 220f.

Ein Riß in der Ordnung unserer Welt, eine Situation, auf die wir keine Antwort wissen, läßt uns lachen oder weinen. Das Lachen ist wie das Weinen Ausdruck eines Scheiterns an der Welt, ein Verlust der Freiheit.



Plessner, Helmuth: Zwischen Philosophie und Gesellschaft. Ausgewählte Abhandlungen und Vorträge. Frankfurt am Main: Suhrkamp (suhrkamp taschenbuch), 1979