"Die dunkle Stelle im Motiv des Schreiben-müssens könnte also damit zu tun haben, daß man schreibend eine Gedächtnis-Schrift, die einem unter die Haut gegangen ist und in den Knochen sitzt, loswerden will und nicht loswerden kann. Man hat ein Gedächtnis gemacht bekommen und rächt sich nun dadurch, daß man sich selbst bis zur Unkenntlichkeit demaskiert."
Dietmar Kamper, Das gefangene Einhorn, 24

Es gibt ein obsessives Schreiben, das mehr ist als ein Handwerk. Dieses zwanghafte Schreiben über sich selbst – direkt oder indirekt – wurzelt in Traumatisierungen. Schreibend will man ein Gedächtnis loswerden, das aus eingekapselten, vernarbten Verletzungen besteht. Das Schreiben ist der Versuch, sich von dieser Narbenschrift zu befreien.



Kamper, Dietmar: Das gefangene Einhorn. Texte aus der Zeit des Wartens. München: Carl Hanser Verlag (Edition Akzente), 1983