"Wir sind Insassen unseres Lebens, nicht seine Erzeuger oder Meister. Dennoch pocht die undeutliche Ahnung einer verlorenen Freiheit oder einer wiederzugewinnenden Freiheit – Arkadien hinter, Utopia vor uns – an die ferne Schwelle der menschlichen Seele. Dieser unbestimmte Pulsschlag regt das Herz unserer Mythologien und unserer Politik. Wir sind Geschöpfe, die zugleich gequält und getröstet werden von den Rufen einer Freiheit, die gerade außerhalb der Reichweite liegt."
George Steiner, Von realer Gegenwart, 203

Auch wenn wir dem Leben ausgeliefert sind, seinen Anforderungen und Zwängen, und letztlich der Sterblichkeit, gibt es einen Riss in dieser auf uns lastenden Totalität – Ahnung einer Freiheit. Aber diese Freiheit ist eher Qual als Verheißung, denn erst sie lässt uns das Bedrückende unserer Existenz empfinden und täuscht uns mit der Möglichkeit eines Ausbruchs, der sich letztlich als Chimäre erweist.



Steiner, George: Von realer Gegenwart. München: Carl Hanser Verlag (Edition Akzente), 1990