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Grotesk ist sein Zögern und seine Umständlichkeit, als er nach einem siebenmonatigem Briefwechsel seinen Besuch in Berlin zu Ostern 1913 ankündigt (Briefe ab 16.3.13)
Schließlich rechnet Felice überhaupt nicht mehr mit seinem Kommen. Er lag dann etwa 5 Stunden auf dem Sofa in seinem Berliner Hotelzimmer und wartete auf ihren Anruf. "Sie trafen sich im ganzen zweimal für wenige Augenblicke." Aber sie beschließen, einander sieben Wochen später, zu Pfingsten, wiederzusehen.
Wieder zurück in Prag schreibt er:
"Weißt Du, daß Du mir jetzt nach meiner Rückkehr ein unbegreiflicheres Wunder bist als jemals?" (26.3.1913
Und er entwirft wieder ein Bild von ihrer Beziehung: "Meine eigentliche Furcht (...) ist die, daß ich Dich niemals werde besitzen können. Daß ich im günstigsten Falle darauf beschränkt bleiben werde, wie ein besinnungslos treuer Hund Deine zerstreut mir überlassene Hand zu küssen, was kein Liebeszeichen sein wird, sondern nur ein Zeichen der Verzweiflung des zur Stummheit und ewigen Entfernung verurteilten Tieres. Daß ich neben Dir sitzen werde und, wie es schon geschehen ist, das Atmen und Leben Deines Leibes an meiner Seite fühlen werde und im Grunde entfernter von Dir sein werde als jetzt in meinem Zimmer." (1.4.1913)
Wenn die beiden zusammen sind, scheinen sie sich vor allem anzuschweigen, sie, die sich ansonsten in Gesellschaft anteilnehmend verhält, wird ihm gegenüber unsicher und verstummt.
Kafka schreibt ihr: "Du bist doch nicht ich, Dein Wesen ist Handeln, Du bist tätig, denkst rasch, bemerkst alles, ich hab Dich zuhause gesehen, ... ich habe Dich unter fremden Leuten in Prag gesehen, immer warst Du anteilnehmend und doch sicher - mir aber gegenüber erschlaffst Du, siehst weg oder ins Gras, läßt meine dummen Worte und mein viel begründeteres Schweigen über Dich ergehen, willst nichts ernstlich von mir erfahren, leidest, leidest, leidest nur ..."
Sie zieht sich ihm gegenüber in ihr Schweigen zurück, auch weil sie weiß, daß sie ihn damit treffen und an sich binden kann. Sie schreibt ihm in der nächsten Zeit auch weniger, worunter er leidet.
"Gottes Willen, warum schreibst Du mir denn nicht? Seit einer Woche kein Wort. Das ist doch schrecklich." (25.5.1913)
Dann kommt der Heiratsantrag. Elias Canetti schreibt dazu: "Es ist der sonderbarste aller Heiratsanträge."
Er bittet sie darum, seine Frau zu werden, und beschreibt ihr dann, wie schrecklich dies für sie sein würde. Diese Abschreckungsversuche setzen sich in den folgenden Briefen fort.
Er erklärt, daß niemals Zeit für sie haben werde, weil er in der Zeit, in der er nicht im Büro arbeitet, am späten Nachmittag schläft und nachts schreiben muß. Und daß es zum Beispiel keine Gäste geben wird, weil er seine Einsamkeit braucht und ein völlig ungeselliger Mensch ist.
"Mein Verhältnis zum Schreiben und mein Verhältnis zu den Menschen ist unwandelbar und in meinem Wesen und in meinem Wesen, nicht in den zeitweiligen Verhältnissen begründet. Ich brauche zu meinem Schreiben Abgeschiedenheit, nicht 'wie ein Einsiedler', das wäre nicht genug, sondern wie ein Toter. Schreiben in diesem Sinne ist ein tieferer Schlaf, also Tod, und so wie man einen Toten nicht aus seinem Grabe ziehen wird und kann, so auch mich nicht vom Schreibtisch in der Nacht." (26.6.1913)
Franz Kafka, Briefe an Felice