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Kafka lernt Milena Jesenska im Oktober 1919 flüchtig in einem Prager Café kennen. Brieflich bittet sie ihn dann um die Zusendung seiner veröffentlichten Texte, um sie ins Tschechische zu übersetzen. Kafka antwortet auf ihre Anfrage, mißt diesem Kontakt aber keine besondere Bedeutung bei.
Im April des folgenden Jahres begibt sich Kafka in ein Sanatorium in Meran, er hatte seinen Krankheitsurlaub mit seinem fünfwöchigen Jahresurlaub zusammengelegt. Bald nach seiner Ankunft beginnt er an Milena zu schreiben, sie antwortet umgehend und sehr schnell entwickelt sich in den Briefen eine Vertrautheit zwischen ihnen.
Kafka ist 38 Jahre alt, Milena 24. Sie lebt in Wien und ist mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet, der sie andauernd mit anderen Frauen betrügt. Milena schreibt von ihren Problemen, ihrer Einsamkeit, ihrer Verletztheit durch die Untreue ihres Mannes und von ihrer finanziellen Armut, wegen der sie oft hungerte und sich zeitweilig mit Koffertragen auf dem Bahnhof etwas Geld verdienen mußte. Kafka schlägt ihr vor, mit Hilfe seines Geldes ihren Mann und Wien zu verlassen.
Bald ergreift Milena die Initiative, versucht Kafka zu überreden, auf seiner Rückreise nach Prag über Wien zu fahren. Er weigert sich zunächst:
"Ich komme ganz bestimmt nicht, sollte ich aber doch - es wird nicht geschehen - zu meiner schrecklichen Überraschung in Wien sein, dann brauche ich weder Frühstück noch Abendessen, sondern eher eine Bahre, auf der ich mich ein Weilchen niederlegen kann." (Meran, 31.5.1920)
Dann verlängert er seinen Aufenthalt in Meran und kommt schließlich für vier Tage nach Wien.
Franz Kafka, Briefe an Milena