Mythen


 
Eurydike scheint zu den Frauen der griechischen Mythologie zu gehören, die von ihren Männern wegen ehrgeiziger Ziele zurückgelassen werden, wie Medea oder Ariadne. Aber diese Frauen wollten mit ihren Männern einen gemeinsamen Weg gehen, Eurydike hingegen erscheint ohne eigenen Willen, ohne eigenes Schicksal. Und der griechische Mythos weist ihr keine Eltern zu.
Orpheus musste lange um Eurydike werben, bis sie seinem Werben nachgab. Sie war eine spröde, in sich verschlossene Nymphe.
Auf einer Wiese, wo sie Blumen pflückte für einen Kranz, wird sie von dem Hirten Aristeus bedrängt. Sie floh vor ihm und wurde dabei von einer Schlange gebissen.
Aristeus war der Halbbruder des Orpheus, man kann ihn als seinen Schatten sehen, der die Triebhaftigkeit verkörpert, die Orpheus fehlte.
Und Eurydike war wohl mehr in ihre Keuschheit verliebt als in Orpheus. Weshalb sie sterben musste.
"Sie war in sich, wie Eine hoher Hoffnung,
und dachte nicht des Mannes, der voranging,
und nicht des Weges, der ins Leben aufstieg.
Sie war in sich. Und ihr Gestorbensein
erfüllte sie wie Fülle.
Wie eine Frucht von Süßigkeit und Dunkel,
so war sie voll von ihrem großen Tode,
der also neu war, daß sie nichts begriff.
Sie war in einem neuen Mädchentum
und unberührbar; ihr Geschlecht war zu
wie eine junge Blume gegen Abend,
und ihre Hände waren der Vermählung
so sehr entwöhnt, daß selbst des leichten Gottes
unendlich leise, leitende Berührung
sie kränkte wie zu sehr Vertraulichkeit."
aus: Rainer Maria Rilke: Orpheus. Eurydike. Hermes
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