"Sucht ist die von den Verkörperungen enttäuschte Bewegung des Sich-Entkörperns, die Gnade sucht in der Abgrundsseite des Seins; Sog die das Sich-Entkörpernde in sich einsaugende Bewegung, die ausgeht von der Abgrundsseite des Seins. Unsere Definitionen: die der Sucht als des zum Nichts sich verstockenden Nicht des Nichthabens und die des Sogs als des zum Nichts sich verstockenden des Nicht des Nicht-Gehabt-Werdens, sprechen beide vom Nichts als dem Nie-und-Nimmer einer Halt gebenden Verkörperung."
Klaus Heinrich, Versuch über die Schwierigkeit nein zu sagen, 148

Die Sucht sehnt sich nach dem Sog eines Abgrundes, der die Verheißung einer Geborgenheit ist. Die Enttäuschung angesichts scheiternder Verkörperungen (Sinnlosigkeit von Zielen und Aufgaben) führt zum Wunsch nach dem Selbstopfer in einer Entkörperung. Es ist der Sog des Todestriebs in die Selbstauslöschung. Die Hingabe an etwas, das ich nicht bin, entlastet mich von der Last der Existenz. Ob achtsame Aufmerksamkeit für Dinge oder meditative Beschwörung von Präsenz, ob Auflösung des Subjekts in der Vielheit der Differenzen oder Verschmelzung mit einer höheren Macht – es sind alles Formen der Selbstentkörperung, und damit der Selbstzerstörung.



Heinrich, Klaus: Versuch über die Schwierigkeit nein zu sagen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1964