"Falls es gelingt, den überhöhten Wert, den man sich beimißt, als Geschenk des Lebens zu durchschauen und nicht mehr zur Konturierung der Ich-Identität zu mißbrauchen, wird es leichtfallen, sich spielend auf des Messers Schneide zu halten, d.h. Nicht-Identität strategisch zur Auflösung der mit dem Identitätskomplex entstandenden Falle einzusetzen. Der umgekehrte Gebrauch von Masken besteht in nichts anderem als im Verlernen der unendlichen Bedeutung des Subjekts, im Verlassen der Felder, die durch selbstbesessene menschliche »Substanz« besetzt sind, oder einfach im Vergessen der Identität."
Dietmar Kamper, Zur Geschichte der Einbildungskraft, 198

Wir neigen nicht nur zur narzisstischen Selbstüberhöhung, sondern benutzen sie, um alles, was wir nicht selbst sind, zu zerstören. Dabei könnten wir sie auch als eine Chance annehmen, als eine Kraft, den Tötungsbann zwanghafter Identität zu brechen. Der »umgekehrte Gebrauch der Masken« besteht darin, die Energie des Selbst zur Selbstzurücknahme zu nutzen. Nur einem starken Selbst kann es gelingen, sich selbst zu vergessen.



Kamper, Dietmar: Zur Geschichte der Einbildungskraft. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch, 1990