"Die Koprophagie ist zweifellos ein ziemlich wenig verbreitetes sexuelles Laster, aber das eheliche Klima disponiert ein bißchen überall dazu: der Koitus unterscheidet sich bei uns nicht sehr von den Verdauungsfunktionen, er verlängert sie; das Paar versucht wirklich, nur noch ein einziges Tier zu sein, das sich selbst riecht, wiederkäut, beschnuppert und mit seinen acht tastenden Pfoten berührt und in der Feuchtigkeit des Bettes den traurigen Traum von der absoluten Immanenz verfolgt."
Jean-Paul Sartre, Saint Genet, Komödiant und Märtyrer, 388

Die Nähe in einer Beziehung verführt zur Nachlässigkeit, zum Verlust der Scheu voreinander. Die Intimität, die man (zwangsläufig) mit sich selbst teilt, wird schamlos auf den Anderen ausgeweitet. Es ist eine Verlockung, die eigenen Grenzen zum Anderen hin zu ignorieren, den Anderen in das Eigene hineinzuziehen. Was dabei verlorengeht, ist die Fremdheit des Anderen und damit die Magie der Verführung.



Sartre, Jean-Paul: Saint Genet. Komödiant und Märtyrer. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1982