"Der Geist verlangt nach Gewißheit, und sein größtes Verlangen ist vielleicht nach einer Gewißheit, die ihn erschlägt. Was der Geist versteht, was er in mühevoller Kleinarbeit beweisen und bestätigen kann, ist womöglich auch das, was er am meisten verachtet. Er verlangt danach, hinterrücks überfallen zu werden, auf einer dunklen Straße, wo Gewißheit das Messer an der Kehle ist."
Julian Barnes, In die Sonne sehen, 137f.

Der Geist, der nach Wissen und Bestätigung strebt, hat ein heimliches Laster. Mehr als das wachstumsorientierte Aneignen, fiebert er nach Herausforderungen, die ihn schockartig anfallen, nach Erkenntnissen, die ihm in ihrer Unmittelbarkeit den Boden unter den Füßen wegreißen. Es scheint, als gäbe es den Wunsch nach einem Verlust der Selbstgewissheit, nach einer fundamentalen Erschütterung des Vertrauens.



Barnes, Julian: In die Sonne sehen. Zürich: Haffmans Verlag, 1991