"Die anderen, verstehen Sie, die verlangen von uns, daß wir sie nicht in Frage stellen, daß wir ihr Miniaturleben, das gefeit ist gegen Verzweiflung und Hoffnung, nicht erschüttern: ihre Aquarien mit den stummen Fischen, die im schlammigen Wasser des Alltags schwimmen, das von der schläfrigen Lampe, die wir Tugend nennen, schräg beleuchtet wird, die in Wahrheit, wenn man sie aus der Nähe betrachtet, nur aus einem lauen Mangel an Ambitionen besteht."
António Lobo Antunes, Der Judaskuss, 159

Was ist es, wenn wir dem unausgesprochenen Gebot nachkommen, dem Anderen nicht die Krone zu rauben? Ihn nicht zu entlarven in seiner Kümmerlichkeit, ihn nicht bloßzustellen und zu verachten, obwohl wir um seine Manöver wissen? Ist es die Angst, dass er zum Gegenschlag ausholen könnte?



Lobo Antunes, António: Der Judaskuß. Roman. München: dtv, 1997